Was unsere Interaktionen als Paar uns spiegeln
Da der Körper uns durch die Mittel seiner Symbolsprache (sog. Symptomen) früher oder später spiegeln wird, was für uns seelisch-geistig in unserem Dasein nicht stimmig ist, mit unserem wahren Selbst darin nicht übereinstimmt, sich nicht damit im Einklang befindet (die Grundannahmen zur Pathogenese wie auch zur Heilung stehen einleitend unter folgendem Link dieser Seite: https://integrale-mediation-beratung-meditation-muenchen.de/heilung-begleitung/) läßt sich das aus meiner Erfahrung als Paarberater, langjähriger Bewegungs- und Tangolehrer (Tango Argentino) heraus auch auf den ’sozialen Körper‘ unserer Paarbeziehungen übertragen.
Gerne unterstütze ich auch Paare in Krisensituationen mit meinen Mitteln der Integralen Mediation wie auch jenen der Intuitiven Beratung, doch darüber hinaus ebenso mit einer sehr subtilen Form der Körperarbeit, die ich von der nonverbalen Bewegungssprache des Tango vom Rio de la Plata hergeleitet habe.
Paarbeziehungen, Bühne der Re-Inszenierung eigener innerer Themen, und häufig auch noch Austragungsort wechselseitiger ‚Spiegel-Fechtereien‘
Gerade in sehr nahen Beziehungen, insbesondere jenen als Paar, finden wir uns nach einer Phase frischen Verliebtseins oft stark herausgefordert, im besten Falle eingeladen (was für Fortgeschrittene), die entsprechenden Themen in uns zu betrachten und mutigen Forschergeists zu erkunden. Hierfür stellt Tango, aufgrund seiner eingangs erwähnten Symbolhaftigkeit und Sprachstruktur ein ebenso unbestechliches wie wirkungsvolles Labor dar, in dem sich anhand dieser frei improvisierten Realkommunikation viele unserer Beziehungsthemen abbilden, sogar wie unter einer Lichtlupe, auch jene, die wir vielleicht gerne noch hinter dem Vorhang gehalten hätten. Da mag es sinnvoll erscheinen, sich als Tangolehrer auch paartherapeutisch weiterzubilden oder wenigstens auch auf diesen Aspekt sein Augenmerk zu richten.
Das Gefühl, innerhalb einer Beziehung, ausgehend von eigenen ‚Themen‘, in fruchtlosen Interaktions-Schlaufen und Verknotungen festzustecken, ist vielen vertraut, und wird dennoch als möglicher Krankheitsauslöser oft unterschätzt, da wir uns in Beziehungen sogar in gewisser Weise daran gewöhnen können, nicht zuletzt, weil sie uns mehr oder weniger auch unsere vertrauten Primärbeziehungen (zu den eigenen Eltern), soweit noch nicht verbeitet, spiegeln. Dadurch können sich solche Zustände sogar ‚normal‘ anfühlen. Deshalb, und weil wir uns in Paarbeziehungen meist mehr als anderswo öffnen, und zugleich schwerer entziehen können, werden dort im besonderen Maße die schmerzhaftesten und frühesten „Innere-Kind-Themen“ angetriggert. Falls es nicht gelingt, sie zu erkennen und zu heilen, können solche Beziehungen chronisch zermürbend und aufreibend wirken, psychisch wie schließlich somatisch, und gar nicht selten sogar zu einem vorzeitigen Tod, als vermeintlichen letzten Ausweg, führen.
In der Regel lässt sich dazu sagen, sind unsere Beziehungsdramen nichts Anderes als Re-Inszenierungen unserer alten Traumatas und Verletzungen über das unbewusste Drücken der jeweiligen schmerzpunkte durch den Partner, die Partnerin. Zugleich liegen darin aber große Chancen, und ein verborgener Schatz an Selbsterkenntnis-Potentialen. Nur, heben dürfen diesen Schatz immer selbst, denn niemand Anderes wird es für uns tun.
Tango stellt ein multiples Achtsamkeits-Übungsfeld und erkenntnispraktisches Terrain dar, allerdings nicht nur um sich mit den inneren Themen zu konfrontieren und zu befassen, sondern darüber hinaus auch mit dem Stand eigener Beziehungs- und Kommunikations-Kompetenzen im Allgemeinen, und diese weiterzuentwickeln. So stellt Tango auch eine ganzheitliche „Beziehungsschule“ dar.
Hier wirkt er einerseits als Spiegel dessen, was sich auf der ungefilterten Wirkungs- und Ausdrucks-Ebene zeigt. Gleichwohl stellt er anhand seiner Regularien, Codices, sowie der Art und Weise, wie das Paar in dieser Kunstform zueinander aufgestellt ist, und die Kommunikation sich tangotypisch vollzieht, einen tänzerischen Symbol- und Metaphern-Organismus dar, der ein hohes Beziehungsideal aufzeigt, und dieses auf allen Ebenen (Körper, Geist und Seele) zu erfahren gibt. Der Tangotanz macht also den Ist-Zustand direkt erfahrbar und bietet ein Medium, mit dessen Inhalten zu arbeiten. Parallel dazu bietet er dem Paar jedoch immer auch ein inspirierendes Leitbild zu einer erfüllenderen Beziehungskultur, sowie ein nonverbales Spielfeld, in dem sich beide neuen Erfahrungen von Kooperation, Kontakt, Nähe und Intimität wie auch Freiheitlichkeit und Loslassen, öffnen kann, wo zuvor vielleicht eher ein Gefühl verengter Bewegungs-Spielräume, individuell wie auch miteinander, Stagnation und Zermürbung, erlebt wurden.
In diesem tänzerischen ‚Idealzustand‘ geht es auch um die fließende Vereinigung der Grund-Pole des Daseins, und dessen Polaritäten (wie die Fokussierung auf Ich und Du als gleichwertige Instanzen, ein ebenfalls dynamischen Wir als daraus hervorgehendes Drittes, des Weiteren, um die in gelingender Weise getanzte Einheit von Freiheit (Selbständigkeit) und Verbundenheit (Hingabe, ohne darin sein Selbst aufzugeben, ohne sich zu verlieren), es geht um Nähe und Distanz, Erdung und Aufrichtung, eine generell subtile Energielenkung und -Übertragung mit ihrer steten Gegen-Ankerung, in jeglichen Richtungen, … ), um ein durchwegs dynamisches Bewegungs-Gleichgewicht dabei, und zwar beider Tanzenden in sich selbst, um eine symmetrische Positionierung auf Augenhöhe, und die Balance männlicher und weiblicher Archetypen, als durch diesen Beziehungstanz erfahrbare wie auch eingeforderte innere Qualitäten und Ressourcen, sowohl beim Mann als auch bei der Frau (innerlich sind beide von hoher androgyner Wirkkraft und Befähigung in der Praxis des Tanzes).
Auf der äußeren Ebene jedoch bringt Tango das Paar wieder kraftvoll in Kontakt mit der männlichen Seite beim Mann, bzw. der weiblichen, bei der Frau, und lässt sie diese Ebene, über ein sinnlich-ästhetisches Medium, miteinander feiern und genießen.
Tango als Meditation und Körperarbeit
Zudem eignet sich diese Kunstform, beispielsweise ausgeübt in hoch präsenter Langsamkeit, wahlweise mit oder ohne Musik, auch hervorragend als Paarmeditation, da sie viele Aspekte des ZEN wie auch des T‘ai Chi Ch’uan in sich vereint oder aufzunehmen vermag.
Es geht darin um einen sich immer weiter verdichtenden Präsenzfluss (bei sich selbs wie auch miteinander)t, der sich energetisch mit der körperlichen Bewegung verbindet, hoch zentriert in der eigenen Mitte und aufgerichteten Achse. Dabei üben wir, achtsam, zentriert, verwurzelt und aufrecht, bei uns selbst zu bleiben, und gleichermaßen aus dieser Basis heraus unser tänzerisches Gegenüber mit allen Sinnen zu erfassen, empathisch zu spüren, und fließend, alle Arabesquen der Bewegung hindurch konstant miteinander verbunden zu sein, im eigenen Fließgleichgewicht, ohne sich an den Partner zu klammern, diesen festzuhalten, oder ihn damit gar aus dem Gleichgewicht zu bringen. Das gehört zur Grundschulung des Tango. Die Verbindung im Tango ist ohnehin eine subtil energetische, worin es kein Drücken, Ziehen oder Klammern gibt. Insofern besitzt dieser auch die Dimension der Energiearbeit – in einem weiten Feld, das erforscht werden möchte.
Die Basis dieser gemeinsamen Bewegung sind das Miteinander-Gehen in konstanter stabiler jedoch nicht einschränkender Umarmung, Brust an Brust, Herz an Herz. Und dieser Herzenergie-Kreislauf wird durch das geschlossene Oval der Umarmung noch verstärkt. Es gehört auch zur Basis, dass wir über eine spezielle Körperarbeit, die sich aus Funktionsweise und Wesen des Tango herleitet, unseren Körper in ein Instrument verwandeln, über das wir auf feinster Ebene Bewegungs- und energetische Signale übermitteln wie auch empfangen, und in Raum und Zeit und Schritte zu übersetzen vermögen, soz. zu einer Stradivari der tänzerischen Kommunikation.
Dabei lernen wir auch, dass jeder Bewegungs-Impuls aus der inneren Mitte hervortritt, sich wie in einer Kaskade nach außen fortsetzt, sodass es nur diese Impulsrichtung gibt, wobei die ruhige Umarmung wie ein Webstuhl feinster hin und her laufenden Impulse im Herzraum zwischen Mann und Frau wirkt … hier nur als einige der Bilder, die beispielhaft für die Vision auf ein höheres Ideal stehen, das der Tango erfahrbar macht potenzialhaft für den Tanz unserer Realbeziehung außerhalb des Tango-Salons.
Weitere positive Nebenwirkung sind die Veränderung unserer Raumpräsenz, des Auftretens wie unserer Interaktions-Qualitäten im Allgemeinen, sowie die Verfeinerung und Sensibilisierung unserer Körperwahrnehmung.
Und dadurch, dass uns die Tangopraxis fast unmittelbar in die Gegenwärtgkeit holt, lassen wir unsere Sorgen dadurch meist für einige Stunden komplett los, und erfahren so in heilsamer Weise auch emotionale und geistig-neuronale Entlastung, Erfrischung und Energetisierung.
Weitere Kurative Aspekte der Tango-Praxis, auch für den Körper direkt
Tango besitzt ganzheitliche und kontemplative Qualitäten, regt auf sanfte aber kräftigende Art Herz- und Kreislauf an. Er wirkt in vielen Fällen blutdrucksenkend und vereint zahlreiche positive Effekte für Haltung, Wirbelsäule, das gesamte Skelett-Muskulatur-System, stärkt die kommunikativen Fähigkeiten sowie das Selbstbewusstsein. Durch die für ihn typische höchst spürige Art, sich weich, geschmeidig und fließend zu bewegen, mit gestärkten Sinnen für Verhältnismäßigkeiten in jeglicher körperlichen Aktion, und Interaktion mit Anderen, kann er sich lösend auf Muskel- und Gelenkblockaden auswirken, sowie harmonisierend auf den muskulären Gesamt-Tonus. Tango verbessert unser Körpergefühl und sensibilisiert dafür, unnötigen Reibungs- sowie Kraftaufwand zu unterlassen. Damit vermeiden wir auch physische Belastungs-Spitzen und Verschleißerscheinungen.
Bei „Burn-out-Patienten“ wirkt er antidepressiv und facht spielerisch das Lebensfeuer neu an. Dabei schafft die intensive Nähe im Tanz ein hohes Maß an Begegnung und Kontakt, wirkt seelisch stimulierend, anregend auf Stimmung, Gemüt und Motivation. Tangotanzen ist zwar in der üblichen Praxis noch keine Therapie im engeren Sinne, wenngleich er auch dort schon therapeutische Wirkungen hervorbringt, und als Hilfe zur Selbsthilfe genutzt werden kann, um mit Stress- und Belastungssituationen anders umzugehen und sich zu entspannen.
Durch die innige und lange anhaltende Umarmung des Tango wird eine vermehrte Ausschüttung des Glücks- und Beziehungshormons Oxytozin bewirkt. Oxytocin verringert den Blutdruck und den Kortisolspiegel, wirkt sedierend, sogar schmerzstillend (analgetisch) und kann zu verbesserter Wundheilung führen. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Oxytocin durch Einwirkung auf die sogenannte HPA-Achse (hypothalamic-pituitary-adrenocortical axis) die Auswirkung von Stress verringert, wie wir auch in der Wikipedia nachlesen können.
Zudem ist Tango ein transgenerationaler Paartanz, der die Inklusion unterschiedlicher Altersgruppen wie auch gesellschaftlicher Milieus und Schichten befördert, ein Tanz, der bis ins hohe Alter und trotz gesundheitlicher Einschränkungen auf spielerische Art und Weise erlernt, und genossen werden kann, da hier weder Schnelligkeit, Muskelkraft noch akrobatische Figuren eine Rolle spielen, sondern ein ruhiger Bewegungsfluss im gemeinsamen Gehen, auf der Grundlage einer liebevollen Umarmung, welches beides die Ausgangsbasis bildet. Tango ist durch seine stilistisch-rhythmische Offenheit und bewegungsphysiologisch günstige Grundstruktur für Menschen aller Altersstufen geeignet, die ihre geistig-körperliche Beweglichkeit auch im Alltag sanft trainieren, erhalten und erweitern wollen. Neben dem Spaß am Tanzen, trägt das Erlernen neuer Bewegungsstrukturen ganz wesentlich zur Steigerung der Lebensfreude, Lebensenergie und Selbstentfaltung bei. Tango fördert und fordert auf ganzheitliche Art und Weise verschiedenste Kompetenzen, auch der Bewegung und Beweglichkeit im gemeinschaftlichen Kontext; er macht Mut, sich auf neue Herausforderungen einzulassen und längst verloren geglaubte Potentiale wieder neu zu beleben oder zu entdecken.
Neben reiner Tanz- und Lebensfreude, thematisierte der Tango auch Emotionen wie Einsamkeit, (Trennungs- Abschieds- und Loslass-)Schmerz, Selbstwert- sowie Identitätskrisen und hilft, diese dadurch besser zu bewältigen und in sich zu integrieren. Abschiede gehören zum Leben wie Geburt und Neubeginn. Abschiede von Lebensabschnitten, von Möglichkeiten, von Menschen und von Dingen, wie auch von lang gehgten Illusionen.
Dabei kann das bewusste Erleben belastender Emotionen helfen, unterstützt durch künstlerisch-ästhetische Mittel und Kulturtechniken, innere und äußere Spannungen abzubauen, notwendige Entwicklungsschritte zu tun, um Veränderungen im Lebensumfeld auch positive Seiten abzugewinnen.
Kulturelle Aktivitäten und ästhetisch-kreative Bildung sind insbesondere für ältere Menschen ein zentraler Schlüssel zu sozialer Teilhabe, zu einem Mehr an Lebensqualität und sinnerfüllter Zeit. Hierzu bietet gerade das Tangotanzen vielfältige Ausdrucksmöglichkeiten, die im tänzerischen Dialog nicht nur Bewegungs–Potenziale spielerisch erforschen und mehren, sondern auch neue Begegnungsmöglichkeiten eröffnen, die uns erfreuen und innerlich bereichern, aber auch Platz schaffen für Trauer um Verlorenes und Ungelebtes, für das Erleben von Nähe und Distanz, von Geborgenheit und Autonomie, Bewegung und Ruhe, Schwächen und Stärken, Mutlosigkeit und Sehnsucht…
Trotz aller Einschränkungen, die das Altern mit sich bringen kann, regt Tangotanzen dazu an, nach den verbliebenen Möglichkeiten zu fragen, denn auch im hohen Alter ist Entwicklung und Entfaltung nicht nur möglich, sondern ein universelles menschliches Grundbedürfnis nach Lebendigkeit. Die Beschäftigung mit kreativ-ästhetischen Medien ist von essenzieller Bedeutung für alle Menschen.
Weiterführende Inhalte zu diesen Themen finden sich in meinen Büchern, die ab der Jahrtausendwende noch die ersten zu diesen Themenfeldern im Zusammenhang mit dem Tango vom Rio de la plata waren (siehe dazu auch die Literaturliste am Ende von: https://de.wikipedia.org/wiki/Ralf_Sartori)
Ralf Sartori / Tango à la carte und Tango Global
https://tango-a-la-carte.de/ und https://www.fotografie-muenchen.eu/